Ja zum Budget mit «Ertragsüberschuss» in Millionenhöhe – Steuerfuss bleibt unverändert – AHV-/IV-Vorlage abgelehnt!

Finanzvorsteherin Susanne Berchtold präsentiert das Budget 2023 (Bild: buebikernews)
Finanzvorsteherin Susanne Berchtold präsentiert das Budget 2023 (Bild: buebikernews)

Bubikon sagt Ja zum Budget 2023, das infolge einer buchhalterischen Umstellung einen ausserordentlichen Buchgewinn ausweist. Der Steuerfuss bleibt unverändert bei 118 Prozent. Die Auslagerung im Bereich AHV-/IV-Zusatzleistungen nach Zürich wurde nach einem Abstimmungskrimi knapp abgelehnt.

 

Zu Beginn der von 125 Stimmberechtigten besuchten Gemeindeversammlung vom Mittwoch (7. Dezember) orientierte Gemeindepräsident Hans-Christian Angele kurz über eine durchgeführte Analyse der Behörden und Verwaltung: Diese habe ergeben, dass Bubikon keine aufgeblähte Verwaltung habe, teilweise sogar eher eine «knappe Personaldecke». Die Verwaltung leiste ausgezeichnete Arbeit.

 

Das Budget wurde präsentiert von der neuen Finanzvorsteherin Susanne Berchtold. Mit einem gleichbleibenden Steuerfuss von 118 Prozent schliesst die für 2023 budgetierte Erfolgsrechnung der Gemeinde Bubikon bei einem Aufwand von 46,772 Millionen Franken und einem Ertrag von 64,834 Millionen mit einem «Ertragsüberschuss» von 18,062 Millionen Franken ab.

 

Der vermeintliche Geldsegen ist nur ein finanztheoretischer Buchgewinn und deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil er die Folge einer Änderung der Verbuchungspraxis des Finanzausgleichs ist. Ohne diese rein buchhalterische Massnahme weist die Gemeinde für 2023 einen Aufwandüberschuss von rund 214 000 Franken aus.

 

Buchhalterischer Mehrertrag von 16,5 Millionen

 

«Im Jahr 2023 stellt die Gemeinde die Buchhaltungspraxis bezüglich zeitlich korrekter Abgrenzung des Ressourcenzuschusses um. Zu diesem Zweck müssen im Jahr 2023 drei statt nur ein Ressourcenzuschuss budgetiert und verbucht werden», schreibt der Gemeinderat in einer Mitteilung vom Mittwoch: «Mit der Umstellung der Rechnungslegung im Jahr 2019 hatten die Gemeinden die Wahlfreiheit, den Ressourcenzuschuss zeitlich korrekt abzugrenzen oder die Buchhaltungspraxis ohne Abgrenzung gemäss den bis 2018 gültigen Rechnungslegungsvorschriften beizubehalten.»

 

Die Gemeinde Bubikon habe sich damals entschieden, weiterhin den Ressourcenzuschuss so zu verbuchen und zu budgetieren wie der Geldfluss anfällt, ohne zeitliche Rechnungsabgrenzung. Rund die Hälfte der Zürcher Gemeinden haben laut dem Gemeinderat die Umstellung schon damals vorgenommen, die anderen Gemeinden blieben – wie zunächst Bubikon – beim alten System.

 

Diese Praxis werde nun per 1. Januar 2023 umgestellt, «damit Schwankungen im Steuerertrag und damit verbundene Schwankungen des Ressourcenzuschusses besser budgetiert und sichtbarer werden können.» Für diese Umstellung sei es von Gesetzes wegen notwendig, dass die erstmaligen Abgrenzungen im Budget gezeigt werden. Da der Ressourcenzuschuss mit zweijähriger Verzögerung ausgezahlt wird, müssen zwei zusätzliche Ressourcenzuschüsse im Budget 2023 enthalten sein: «Im Ertragsüberschuss sind nebst dem im Jahr 2023 ausbezahltem Ressourcenzuschuss (Berechnungsbasis Steuerjahr 2021) auch die Zuschüsse welche erst 2024 und 2025 (Berechnungsbasis Steuerjahr 2022 und 2023) zur Auszahlung gelangen, enthalten.»

 

Dies führe zu einem buchhalterischen Mehrertrag von 16,531 Millionen Franken. Bei diesem Betrag handle es sich aber lediglich um eine transitorische Buchung, schreibt der Gemeinderat: «Durch diese Buchung fliessen keine zusätzlichen liquiden Mittel. Der eigentliche Geldzufluss erfolgt erst in den Jahren 2024 und 2025, so wie dies bereits in der Vergangenheit der Fall war.» Die Umstellung der Verbuchungspraxis des Finanzausgleichs wird auch von der Rechnungsprüfungskommission (RPK) begrüsst und unterstützt, wie RPK-Präsident Silvan Scheiwiller versicherte.

 

Buchgewinn aus Zweckverbandsauflösung


Zum ausserordentlich hohen Ertragsüberschuss kommt noch ein Buchgewinn im Zusammenhang mit der Auflösung des Zweckverbandes ehemaliges Kreisspital Rüti hinzu. Dieser Buchgewinn wird 2023 realisiert werden können und beträgt zu Gunsten der Erfolgsrechnung rund 1,746 Millionen Franken.

 

Ohne diese zwei Sondereffekte läge das Budget 2023 bei einem Aufwandüberschuss von 214 900 Franken. Aufgrund der steigenden kantonalen Steuerkraft geht die Finanzplanung davon aus, dass ab dem Jahr 2024 mit regelmässigen Ertragsüberschüssen gerechnet werden könne.

 

Nettoinvestitionen von über 6 Millionen Franken

 

Die Investitionsrechnung im Verwaltungsvermögen zeigt Ausgaben von 7,135 Millionen und Einnahmen von 849 000 Franken. Somit sind im Jahr 2023 Nettoinvestitionen von 6,286 Millionen Franken budgetiert.

 

Das Budget passierte einstimmig, der Antrag  auf Beibehaltung des Steuerfusses von 118 Prozent grossmehrheitlich. Ein Gegenantrag von Rudi Ter Harkel (EDU) auf Reduzierung des Steuerfusses auf 114 Prozent scheiterte überdeutlich: Lediglich fünf Stimmberechtigte unterstützten ihn. Mehrere Votanten hatten sich vehement für Beibehaltung des bestehenden Steuerfusses eingesetzt, darunter auch Daniel List, Finanzvorstand bis 2018 – dessen Amtszeit durch spektakuläre Steuersenkungen gekennzeichnet war.

 

 

Auslagerung der Durchführungsstelle für AHV/IV-Zusatzleistungen

 

Beim dritten, von Sozialvorstand Severin Länzlinger präsentierten Traktandum ging es um den Antrag des Gemeinderats, aus Kostengründen die Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV an die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich (SVA) auszulagern. Derzeit betreue die Durchführungsstelle Zusatzleistungen zur AHV/IV der Gemeinde Bubikon rund 125 Zusatzleistungsfälle, schrieb der Gemeinderat in einer Mitteilung. Im Mai 2022 beantragte die Abteilung Soziales für die Durchführungsstelle eine Stellenerhöhung um 20 Prozent auf total 130 Stellenprozente. Der Gemeinderat nahm dies zum Anlass, die Stellenerhöhung vorerst auszusetzen. Er beauftragte die Abteilung Soziales, verschiedene Auslagerungsszenarien zu prüfen und mit den Kosten der Durchführungsstelle der Gemeinde zu vergleichen. Kurz darauf kündigten die beiden Sachbearbeiterinnen Zusatzleistungen. «Dem Gemeinderat lagen zu diesem Zeitpunkt die gewünschten Abklärungen noch nicht vor, und er verzichtete bewusst auf eine Stellenausschreibung», so der Gemeinderat.

 

Mitte Juli 2022 lagen die Analysen vor und der Gemeinderat stellte fest, dass die Fallkosten der eigenen Durchführungsstelle derzeit bei gut 1'200 Franken pro Fall liegen. Dem stehe das günstigste Angebot für das externe Führen der Durchführungsstelle von der SVA Zürich gegenüber: Diese würde bis Ende 2023 520 Franken pro Fall verrechnen und ab Januar 2024 490 Franken.


Aus diesem Grund beschloss der Gemeinderat, die Durchführungsstelle an die SVA Zürich auszulagern. Der Gemeinderat sei sich bewusst, dass damit die persönliche Beratung in Fragen der Zusatzleistung vor Ort nicht mehr möglich ist. Diese könne aber künftig bei der SVA in Zürich stattfinden. Der Gemeinderat rechnet mit einem jährlichen Sparbetrag von über 80'000 Franken, wenn die SVA Zürich künftig die Durchführungsstelle Zusatzleistungen zur AHV/IV führt. Die Rechnungsprüfungskommission (RPK) erklärte Zustimmung zu diesem Geschäft; ebenfalls die Ja-Parole gaben die Mitte-Partei und die EDU aus.

 

An der Versammlung stellten Giorgio Girardet (EVP), Florian Ricklin,  Elisabeth Jampen, Kurt Christen und Priska Schwalb kritische Fragen zur Vorlage. Die in Bubikon stimmberechtigte bekannte Expertin stellte namentlich die prognostizierte Kosteneinsparung infrage. Auf die Entscheide der SVA habe der Steuerzahler null Einfluss. Im Vorfeld der Versammlung kursierte zudem ein Faktenblatt mit detaillierten Argumenten gegen die Vorlage. So wurde auch hier die bei einer Auslagerung versprochene Einsparung von jährlich 80'000 Franken infrage gestellt, weil wichtige Informationen wie Erbschaften, veränderte Heimkosten ausländische Liegenschaften und Renten nicht gemeldet und entsprechende Rückforderungen nicht einbringbar sein würden. Etliche Gemeinden hätten die Auslagerung inzwischen wieder rückgängig gemacht. Rüti habe sogar vor zwei Jahren einen Antrag auf Auslagerung an der Gemeindeversammlung abgelehnt.

 

Der Antrag des Gemeinderats wurde zunächst mit 57 Nein zu 56 Ja abgelehnt. Der Gemeindepräsident liess nachzählen. Diesmal wurde der Antrag mit 62 zu 58 Stimmen abgelehnt.

 

 

Anfragen zum Fluglärm und zum Fernwärmeprojekt

 

Schliesslich standen noch zwei Anfragen gemäss §17 des Genmeindegsetzes auf der Traktandenliste. Kurt Grolimund (Wolfhausen) wollte wissen, was der Gemeinderat bisher zur Erhaltung der Lebensqualität bezüglich Fluglärm unternommen habe, und weshalb Bubikon nicht Mitglied beim Fluglärm-Forum Süd sei. Die ausführliche Antwort lag der Versammlung schriftlich vor und mündete darin, dass Bubikon «grundsätzlicvh wenig von Fluglärm betroffen» sei. Der Gemeinderat werde im Rahmen künftiger Anhörung- und Mitwirkungsverfahren die Interessen der Gemeinde «aktiv einbringen». Dies habe er auch in der Vergangenheit getan. Einen – kostspieligen – Beitritt zum Fluglärmforum Süd erachtet der Gemeinderat als «nicht zielführend».

 

Einen umfangreichen Fragenkatalog hatte der Jacqueline Bachmann namens der EDU zur künftigen Entwicklung der Wärmeversorgung in Bubikon und Wolfhausen eingereicht. Die Partei wolle wissen, «wann, wo und über was das Stimmvolk abstimmen» könne.

 

Beide Fragen-Beantwortungen lagen der Versammlung in gedruckter Form vor. Sie sind diesem Bericht als PDF-Downloads beigefügt.

 

Bericht: Thomas Illi

 

 

Update: Darf eine knappe Abstimmung einfach so wiederholt werden?


Ein merkwürdiger Moment gegen Schluss der Gemeindeversammlung: Die Abstimmung über die AHV-/IV-Vorlage fällt äusserst knapp aus, mit 57 Nein zu 56 Ja. Gemeindepräsident Hans-Christian Angele lässt die für den Gemeinderat ungünstige Abstimmung sofort wiederholen. War das überhaupt zulässig?

H.R. Thalmann schreibt in seinem Kommentar zum Zürcher Gemeindegesetz (3. Auflage, 2002) , dass Abstimmungswiederholungen dann zulässig sind, «wenn Fehler in der Ermittlung des Ergebnisses festgestellt oder glaubhaft gemacht werden oder Zweifel bestehen, auf welcher Seite die Mehrheit sich befindet». Ein knappes Ergebnis allein sei aber kein Grund für eine Wiederholung: «Es kann nicht nach Belieben auf ein verkündetes Abstimmungsergebnis zurückgekommen werden.» Thalmann stützt sich bei seiner Einschätzung nicht nur auf einen entsprechenden Regierungsratsbeschluss, sondern auch auf einen Bundesgerichtsentscheid (BGE 104 Ia 431f.).

Im vorliegenden Fall bestand für Beobachter absolut kein Anlass, an der Ermittlung des Ergebnisses zu zweifeln. So änderte die Wiederholung denn auch nichts am Endergebns, ganz im Gegenteil: Die erneute Abstimmung ergab eine noch deutlichere Ablehnung des gemeinderätlichen Antrags: 62 Nein zu 58 Ja. Es dürften noch einige Stimmenthalter sich doch noch zu einer klaren Stellungnahme entschlossen haben. (ti)

 

 

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