Wieder Medienvielfalt im Zürcher Oberland?

Wir wissen es: Seit die Tamedia, Herausgeberin unter anderem des "Tages-Anzeigers", ein grosses Aktienpaket der Zürcher Oberland Medien AG besitzt, bestreitet die Redaktion des "Zürcher Oberländers" in Wetzikon die Oberländer Regionalseiten auch des "Tages-Anzeigers". Seither steht in beiden Zeitungen über das Zürcher Oberland genau das Gleiche, Unterschiede finden sich höchstens in der Länge der Artikel.


In den heutigen Ausgaben ist das anders. Während der "Zürcher Oberländer" den als Leck von datengeschützten Informationen überführten Dübendorfer Stadtrat Martin Bäumle verteidigt und die Tat mit einem "so what" kommentiert, fordert der Tagi ohne Umschweife den Rücktritt des umtriebigen GLP-Politikers: "Bäumle ist als Stadtrat untragbar."


Das verdient Beachtung: Der "Tages-Anzeiger" hat sich, entgegen dem Zusammenarbeitsmodell, entschieden, eine völlig eigenständige Bäumle-Berichterstattung und -Kommentierung aufzuziehen. Für einmal ist die frühere Medien- und Meinungsvielfalt im Zürcher Oberland wieder hergestellt. Allerdings blieb dem Tagi wohl auch gar keine andere Wahl: Die Haltung des ZO – der als Nutzniesser der stadträtlichen Indisktretion die Affäre nicht unerwartet klein- und schönredet – ist derart durchsichtig, dass sie nur Kopfschütteln auslösen kann.

 

Originalzitat aus dem ZO-Kommentar: "Tatsache ist: Bäumle hat mit seinem Vorgehen...für grösstmögliche Transparenz gesorgt." Notabene: Der Betreibungsauszug, den Bäumle dem ZO/AvU zuspielte, war auf dem Amtsweg über die Dübendorfer Stadtverwaltung beschafft worden. Als Privatmann hätte Bäumle mangels Interessensnachweises keine Chance gehabt, an diese Informationen zu gelangen. Grösstmögliche Transparenz? Muss man als Dübendorfer und Dübendorferin künftig damit rechnen, dass Stadträte nach dem "Öffentlichkeitsprinzip" und im Sinne der "Transparenz" auch andere persönliche Daten der Presse zuspielen, etwa Angaben zu den finanziellen Verhältnissen, zur Religionszugehörigkeit, zu Vorstrafen, zum Bezug von Sozialhilfegeldern?

 

Thomas Illi, Chefredaktor "buebikernews"

 

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